Nach neuem BGH-Urteil:
Alle Maschinen auf „Stop“ in laufenden Zwangsversteigerungsverfahren

Kündigt ein Kreditinstitut einem Verbraucher den Immobilienkredit, dann hat es keinen Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung – das hat der Bundesgerichtshof am 19.1.2016 (Az.: XI ZR 103/15) entschieden. Dieses Urteil kann für manchen Darlehensnehmer, dem eine Zwangsversteigerung wegen Zahlungsverzuges droht, ein Segen sein. Das Urteil betrifft alle Kündigungen der letzten 10 Jahre!

Worum geht es?

Wird ein Immobiliendarlehensvertrag wegen Zahlungsverzuges gekündigt, dann wird die gesamte Restschuld fällig. Zudem verlangen die darlehnsgebenden Banken, Sparkassen und Versicherungen auch noch eine hohe Vorfälligkeitsentschädigung. Diese Forderungen führen in der Summe fast immer zum Verlust der Immobilie durch Notverkauf oder Zwangsversteigerung und am Ende häufig auch zu einer Verschuldung, die in der Privatinsolvenz enden kann. Wer auch immer kann, der sollte alles unternehmen, um dieses Schreckens-szenario zu stoppen. Das jüngste BGH-Urteil kann dafür in vielen Fällen den Weg ebnen!

Welcher Personenkreis ist betroffen?

Das Urteil gilt für alle Verbraucher. Verbraucher sind aber nicht nur die Besitzer eines Eigenheimes, die durch Krankheit oder Scheidung in eine wirtschaftlich bedrohliche Situation geraten sind. Verbraucher sind auch mittelständische Unternehmer, die mehrere Eigentumswohnungen als Altersvorsorge besitzen. Verbraucher ist auch eine GbR aus natürlichen Personen, die ein Mehrfamilienhaus erworben hat. Gerade diese Personengruppen sind es immer wieder, die mit einer Immobilieninvestition ohne Verschulden in eine existenzbedrohende Situation kommen.

Die Bankenpraxis: Kredit gekündigt und Strafzins einbehalten

Jeden Tag werden in Deutschland viele solcher Immobiliendarlehensverträge wegen Zahlungsverzuges gekündigt. Da reicht es manchmal schon, wenn zwei aufeinander folgende Raten nicht gezahlt werden konnten und die kurze Frist zur Zahlung des rückständigen Betrages nicht ausreichte. Nicht wenige Kreditinstitute warten wie die Schlange vor dem Kaninchen und verwerten die Immobilie ihres Kunden. Dann wird die gesamte Restschuld fällig und zu allem Ungemach verlangen die darlehnsgebenden Banken, Sparkassen und Versicherungen auch noch eine hohe Vorfälligkeitsentschädigung, die sich auf der Grundlage der für die gesamte Vertragslaufzeit geschuldeten Zinsen abzüglich eines zu vernachlässigenden Wiederanlagezinses bemisst. Das sind aktuell fünf- bis sechsstellige Beträge. Regelmäßig ziehen die Kreditinstitute diesen Betrag auch gleich vom Zwangsversteigerungserlös ab.

Wem kann das BGH-Urteil nützen?

Das Urteil nützt jedem Darlehensnehmer, dem es in der Notsituation gelingt, die Restschuld aus dem Darlehen doch noch mit Hilfe von Verwandten oder Bekannten, einem Ersatzkredit (es gibt seriöse Angebote für Anschlussfinanzierung auch in solchen Fälle) oder auf sonstige Weise zu begleichen und den letztlich „nur“ die geforderte Vorfälligkeitsentschädigung überfordert. Kurz gesagt: Wo allein die Vorfälligkeitsentschädigung ausschlaggebend für Vollstreckungsmaßnahmen oder gar die Versteigung der Immobilie ist. Dort können wir unter Umständen helfen.

Mit der Kündigung reduziert sich der Zins drastisch

Und am Rande: Dem Kreditinstitut steht nach der Kündigung nicht mehr der Vertragszins, sondern nur ein Zins in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu. Dieser liegt seit dem 01.01.2016 bei minus 0,83%. Der Zinssatz für gekündigte Darlehen beträgt also 1,67% p.a.

Wie können wir helfen?

Unsere Kanzleien prüfen als erstes die Wirksamkeit der Kündigung und die Abrechnung der Bank. Dann wird geprüft, ob das Zwangsversteigerungsverfahren gestoppt werden kann. In jedem Fall loten unsere Anwälte alle Verhandlungsmöglichkeiten mit der Bank aus, um eine Lösung zu erzielen. Das Ziel ist dann eine außergerichtliche Einigung vor Beginn des Versteigerungstermins. Dabei kommt dem Kunden zugute, dass die Bank bei Verwertung von Sicherheiten auf berechtigte Interessen des Schuldners Rücksicht nehmen muss. Sie darf also – salopp gesagt – die Immobilien nicht „verschleudern“.
Sollte das Versteigerungsverfahren schon laufen, dann sieht das Gesetz auf Antrag des Schuldners eine Einstellung des Verfahrens für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten vor, wenn Aussicht besteht, dass so die Versteigerung vermieden werden kann. Das ist die Zeit, in der der Darlehensnehmer die Restschuld begleichen könnte.