EuGH-Urteil: Deutsches Kreditrecht ist europarechtswidrig – Nahezu alle (Immobiliendarlehen) Verträge, die ab dem 11.06.2010 abgeschlossen wurden sind fehlerhaft!

 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH ) in Luxemburg hat mit Urteil vom 26.03.2020 (Az. C-66/19) abschließend entschieden (und dem deutschen Bundesgerichtshof (BGH) damit höchstrichterlich attestiert), dass die Rechte der deutschen Verbraucher über Jahre hinweg europarechtswidrig empfindlich beschnitten wurden. Experten sprechen schon jetzt von einer nie dagewesenen Niederlage für die Karlsruher Richter.

Allein der bisherige Schaden für die deutschen Verbraucher dürfte sich im dreistelligen Millionenbereich bewegen.

Unter Juristen ist es seit Jahren ein offenes Geheimnis: die deutschen Banken belehren Verbraucher beim Abschluss von Krediten, wie insbesondere Immobiliendarlehen oder Autofinanzierungen, falsch.

Bei nahezu allen Verträgen, die ab dem 11.06.2010 abgeschlossen wurden, wird insbesondere unzureichend über den Beginn der Widerrufsfrist belehrt!

Dabei ist das EuGH-Urteil für Experten keineswegs überraschend. Zahlreiche deutsche Gerichte, auch Oberlandesgerichte haben die Rechtswidrigkeit der Belehrung schon früh bestätigt (OLG München, Urteil vom 21. Mai 2015, Az. 17 U 334/15; OLG Koblenz, Beschluss vom 15. Oktober 2015, Az. 8 U 241/15; OLG Nürnberg, Urteil vom 1. August 2016, Az. 14 U 1780/15).

Der deutsche Gesetzgeber hatte sogar schon 2009 erhebliche Bedenken, ob das gesetzliche Belehrungsmuster den europarechtlichen Anforderungen genügt. In der Bundestagsdrucksache 16/11643, Seite 164 f. heißt es: „Für die Vertragsangabe ist das Belehrungsmuster inhaltlich ungeeignet, da weder die Angaben über den Fristbeginn noch über die Folgen des Widerrufs im Muster mit den gesetzlichen Erfordernissen übereinstimmen.“

Für viele überraschend hat der BGH dann aber mit Urteil vom 22. November 2016 – Az. XI ZR 434/15 – entschieden, dass die Belehrung über den Fristbeginn angeblich doch „klar und verständlich“ sei. Trotz vielfacher Aufforderung hat sich der BGH über Jahre hinweg beharrlich geweigert, diese Frage dem EuGH zur abschließenden Klärung vorzulegen.

Das kaum nachvollziehbare und gebetsmühlenartig wiederholte Argument der Karlsruher Richter: Europarechtliche Bedenken seien weit und breit nicht zu erkennen.

Die jahrelang überfällige Vorlage erfolgte dann im Januar 2019 durch das Landgericht Saarbrücken (initiiert durch eine mit uns kooperierenden Kanzlei). Die Saarbrücker Richter sind zwar nicht verpflichtet, aber berechtigt, den EuGH anzurufen. Das haben sie – sehr zum Missfallen der Karlsruher Bundesrichter – auch getan, weil sie erhebliche europarechtliche Bedenken an der verbraucherfeindlichen Rechtsprechung des BGH hatten.

Hier muss sich der BGH ganz unbequeme Fragen gefallen lassen …

Wie kann es sein, dass der BGH weit und breit keine Bedenken an der Praxis der Banken erkennen kann, wenn andererseits der deutsche Gesetzgeber, viele Oberlandesgerichte, die EU-Kommission, die Generalanwältin und letztlich auch der EuGH übereinstimmend zu dem Ergebnis kommen, dass die deutsche Praxis nicht nur rechtswidrig ist, sondern so ‚klar‘ rechtswidrig ist, dass – wie der EuGH feststellt – ‚kein Raum für vernünftige Zweifel‘ besteht?

Was können Kreditnehmer jetzt tun?

Alle Darlehensnehmer sollten ihre ab 11.06.2010 geschlossenen Kreditverträge von einer unserer auf Verbraucherwiderrufsrecht spezialisierten Kanzleien prüfen lassen, und zwar bevor sie den Vertrag widerrufen. Das gilt insbesondere für die Finanzierungen von selbst genutzten Wohnimmobilien oder für Autokredite. Aber auch die Finanzierungen von vermieteten Mehrfamilienhäusern oder Gewerbeimmobilien können widerrufbar sein.